Keine Anpassung eines Ãbergabevertrages
Übertragungsvertrag mit Wohnrecht und Pflegeverpflichtung
Häufig wird zu Lebzeiten Grundbesitz auf nahe Verwandte übertragen oder auch an Fremde verkauft bei gleichzeitiger Vereinbarung eines Wohnrechts für den Veräußerer und einer Pflegeverpflichtung durch den Erwerber. Bei derartigen Verträgen wird in der Regel die aktuelle statistische Lebenserwartung des Veräußerers für die Berechnung des Wertes der Gegenleistungen des Erwerbers herangezogen. Dabei werden auch Beträge für diese Gegenleistungen im Vertrag aufgeführt.
vorzeitiges Versterben des Übertragenden
Anlass zum Streit entsteht meist dann, wenn der wohnungsberechtigte und pflegebedürftige Veräußerer deutlich früher als kalkuliert verstirbt - oder auch deutlich später - oder früher als kalkuliert in ein Altenheim bzw. Pflegeheim umziehen muss. Bei zu frühem Eintreten einer solchen Situation wird dann von anderen Miterben oder Begünstigten argumentiert, dass ja nicht annähernd die Gegenleistung erbracht wurde durch den Erwerber, die man einkalkuliert hatte. Umgekehrt wird aber genauso argumentiert, wenn der Veräußerer deutlich länger lebt als "geplant". Dann hat ja der Erwerber viel zu viel Gegenleistungen erbracht.
Frage der Anpassung des Vertrages
In solchen Fällen wird oft eine möglicherweise notwendige ergänzende Auslegung des Vertrages oder eine Anpassung des Vertrages aufgrund des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gefordert.
Mit einem solchen Fall hatte sich das Oberlandesgericht Frankfurt (6. Mai 2019 – 8 W 13/19) zu befassen. in diesem Fall hatte eine Erbin des Veräußerers die Abänderung bzw. Anpassung des Vertrages verlangt, weil der Veräußerer bereits etwa 2 Monate nach Vertragsschluss verstorben war.
keine ergänzende Vertragsauslegung
Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt nach der Entscheidung des OLG Frankfurt nur in Betracht, wenn der "Vertrag unter Zugrundelegung des Regelungskonzeptes der Parteien eine Lücke aufweist, die geschlossen werden muss, um den Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen" (6. Mai 2019 – 8 W 13/19 veröffentlich ZERB 2019, 203, 211 zu 2. a.). Das OLG weist zurecht darauf hin, dass dabei die Auslegung in nicht eine freie richterliche Vertragsgestaltung ausrufen darf.
kein Wegfall der Geschäftsgrundlage
Auch ein Wegfall der Geschäftsgrundlage bzw. eine dadurch notwendig werdende Anpassung des Vertrages schied im zu entscheidenden Fall aus. Das OLG Frankfurt argumentiert zurecht, dass bei einer derartigen Vereinbarung mit einem lebenslangen Wohnrecht jeder Beteiligte grundsätzlich damit rechnen muss, dass wegen Krankheit und Pflegebedürftigkeit das Wohnrecht möglicherweise nicht bis zum Tod des Veräußerers von diesem ausgeübt werden kann und dann auch Pflegeleistungen nicht im Pflegeheim erbracht werden können und müssen.
Umgekehrt hat natürlich auch der Erwerber nicht das Recht eine Vertragsanpassung zu fordern, wenn der Veräußerer länger lebt als es der statistischen Lebenserwartung und der Kalkulation bei Vertragsschluss entspricht.
Fall des OLG Frankfurt
In dem vom OLG Frankfurt zu entscheidenden Fall war der Veräußerer etwa 2 Monate nach Vertragsschluss verstorben, sodass hier natürlich ein krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung gegeben war. Umgekehrt hätte der Erwerber aber genauso das "Pech" haben können, dass der Veräußerer noch weit über die statistische Lebenserwartung hinaus gelebt hätte und dadurch eine Verwertung der übertragenen Immobilie durch den Erwerber ausgeschlossen gewesen wäre für einen langen Zeitraum.
Expertentipp von Hans Oskar Jülicher Fachanwalt für Erbrecht aus Heinsberg
Wenn Sie eine solche Übertragung planen, ziehen Sie bitte alle möglichen Erben bzw. Pflichtteilsberechtigten im Vorfeld hinzu. Schließen Sie einen Erbvertrag, in dem auch die erbrechtlichen Ansprüche der übrigen Beteiligten in Bezug auf das zu übertragene Objekt geregelt werden. So können Sie für die Zukunft Streit vermeiden.
Quelle: Netzwerk Deutscher Erbrechtsexperten e.V.← zurück