Hans-Oskar Jülicher
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht, Testamentsvollstrecker, vereidigter Buchprüfer

Telefon: 02452 976090

Fachanwalt für Erbrecht und Familienrecht in Heinsberg
13.9.2019

Erbscheinerteilung auf Grund einer Fotokopie des Testamentes?

Erblasser, die ein handschriftliches Testament errichtet haben, verwahren dieses häufig „in den eigenen vier Wänden“. Nicht selten ist dieses zu Hause verwahrte Testament nach Eintritt des Erbfalls nicht mehr auffindbar. Gründe hierfür können sein, dass das Originaltestament bei einem Umzug (z.B. in ein Pflege- oder Altenheim) verloren ging, versehentlich mit anderen Unterlagen vernichtet wurde, oder der Aufbewahrungsort ganz einfach vergessen wurde. Möglich ist natürlich auch, dass eine Person, die Zutritt zum Haus des Erblassers hatte, dieses Testament vorsätzlich entwendet und vernichtet hat. Oftmals haben Erblasser eine Kopie des Originaltestamentes gefertigt und diese Kopie Angehörigen, dem Steuerberater oder einem Rechtsanwalt ausgehändigt.

Fotokopie des Originaltestaments ausreichend?

Für die im Testament begünstigten Personen stellt sich dann die Frage, ob sie – bei Nichtauffindbarkeit des Originaltestaments – allein auf Grund der Fotokopie des Testamentes einen Erbschein beantragen können.

Verfahrensbeteiligte, wie z.B. die gesetzlichen Erben, behaupten im Rahmen des Erbscheinverfahrens dann oft, dass aus der Nichtauffindbarkeit des Originaltestamentes gefolgert werden müsse, dass der Erblasser noch selbst das Originaltestament vernichtet und damit widerrufen hätte.

Das OLG Hamburg hat in seinem Beschluss vom 03.01.2019 (2 W 45/18 = BeckRS 2019, 15580) einen vergleichbaren Fall zu entscheiden.

Beweislast für ein Testament trägt der Antragsteller.

Im Erbscheinverfahren ist die Gültigkeit des Testamentes von Amts wegen zu prüfen. Die Beweislast für die formwirksame Errichtung eines handschriftlichen Testamentes trägt jedoch der Antragsteller mit der Folge, dass bei nicht aufzuklärenden Zweifeln an der Gültigkeit des Testamentes der Erbscheinerteilungsantrag abgewiesen werden muss.

Nicht auffindbares Testament bleibt gültig

Ist die Vorlage des Originaltestamentes nicht möglich, so darf der im Testament Bedachte auf andere zulässige Beweismittel – wie etwa auf Zeugen oder die Vorlage einer Durchschrift oder Ablichtung der Originalurkunde – zurückgreifen (§ 352 Abs. 3 S. 2 FamFG). Für die Wirksamkeit einer letztwilligen Verfügung kommt es nicht auf den Fortbestand der Urkunde an : Eine letztwillige Verfügung, die ohne Wille des Erblassers verlogen gegangen, vernichtet oder aus sonstigen Gründen nicht auffindbar ist, bleibt gültig.

Errichtung und Inhalt des Testamentes muss bewiesen werden

Der Antragsteller muss im Erbscheinerteilungsverfahren neben dem Inhalt der testamentarischen Urkunde auch nachweisen, dass dieses Testament formgerecht errichtet wurde. Der Antragsteller muss also nachweisen, dass der Erblasser das nicht auffindbare Testament persönlich mit der Hand geschrieben und anschließend unterschrieben hat.

Strenge Anforderungen an die Nachweispflicht

Will der Antragsteller den Inhalt und die formwirksame Errichtung des Originaltestamentes mit anderen Beweismitteln nachweisen, sind hieran strenge Anforderungen zu stellen: Aussagen von Zeugen, die das Testament nicht persönlich gesehen haben, reichen für die Beweisführung in der Regel nicht aus. Wird der Nachweis des Testamentes mit Hilfe einer Kopie der Originalurkunde geführt, bedarf es vom Gericht einer besonders sorgfältigen Ermittlung, weil angesichts der Fortschritte der Kopiertechnik Vorsicht geboten ist.

Das OLG Hamburg hat in seinem Beschluss vom 23.01.2019 in diesem Sinne entschieden:

  • Aus einer vorgelegten Testamentskopie kann ein Erbrecht nicht abgeleitet werden. Vielmehr gelten für diesen Fall strenge Anforderungen an den Nachweis der Existenz eines entsprechenden Originals.
  • Eine Kopie des Originaltestamentes kann als Nachweis aber ausreichen, wenn ihr die formgerechte Errichtung des Originaltestamentes nachgewiesen werden kann.
  • Im Fall der Unauffindbarkeit eines Testamentes besteht keine Vermutung dafür, dass es vom Erblasser selbst vernichtet worden wäre und deshalb gem. § 2255 BGB als widerrufen anzusehen ist.

Expertentipp von Bernhard F. Klinger, Fachanwalt für Erbrecht in München:

  • Personen, die ein handschriftliches Testament errichten, ist dringend anzuraten, das Originaltestament beim örtlichen Nachlassgericht in die amtliche Verwahrung zu geben. Die Kosten hierfür sind relativ gering.
  • Das Nachlassgericht registriert das Originaltestament auch von Amts wegen beim Zentralen Deutschen Testamentsregister in Berlin. Auch die Kosten hierfür sind gering. Durch die Hinterlegung und Registrierung wird sichergestellt, dass – unabhängig davon, wo der Erblasser später verstirbt – das Originaltestament aufgefunden und so zeitnah der beantragte Erbschein erteilt werden kann.
Quelle: Netzwerk Deutscher Erbrechtsexperten e.V.

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